Samstag, 13. Februar 2016

Paranoia

Bei einer Informationsveranstaltung in unserem Ort erzählt ein besorgter Bürger, auf der anderen Seite des Flusses, war es Ottobrunn oder Neubiberg, gingen die Flüchtlinge in die Bäckerei, nähmen sich die Ware und verschwänden ohne zu bezahlen. Die Bäckerei sei angewiesen, das nicht weiter bekanntzumachen - sie schickt die Rechnung ans Landratsamt, von dort aus werde der Schaden dann beglichen. Das alles wisse er von einem Bekannten. - Nun saß der Landrat selbst bei der Veranstaltung auf dem Podium; er erklärte sofort, es sei Unsinn, dass sein Amt hier Zahlungen leiste - das könne er kategorisch ausschließen.
Hat der besorgte Bürger dem Landrat geglaubt? Wer in einem wahnhaften System steckt, wird sagen: Natürlich hat der Landrat das abgestritten, das muss er ja. Solche Informationen dürften eben nicht an die Öffentlichkeit - so gesehen unterstreicht das Dementi im Grunde noch den Wahrheitsgehalt.
Gerüchtekarte
Es gibt seit kurzem eine bundesweite Gerüchtekarte im Internet, wo sich jemand die Mühe gemacht hat, all diese umlaufenden Geschichten auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen und zu widerlegen. Die meisten  funktionieren nach dem Schema der 'Urban Legends', auch 'Friend of a friends tale' genannt: Keiner weiß etwas aus eigener Kenntnis, aber er kennt jemanden, der jemanden kennt - und der hat die Geschichte erlebt, möglichst auf der anderen Seite des Flusses. Der paranoide Mantel - 'Die Wahrheit wird gezielt unterdrückt' - ist allerdings etwas ganz eigenes und rückt diese Gerüchteköche in die Nähe von Verschwörungstheoretikern und Ufologen. Man könnte darüber lächeln, wenn es nicht so bereitwillig geglaubt und weiterverbreitet würde und in seiner Infamie auch Angst macht. Zumal die Karte in kürzester Zeit einen riesigen Zuwachs von Meldungen verzeichnet.
Landräte, Polizeidirektionen, Gerüchtekartographen können sagen und schreiben was sie wollen - sie gelten als Teil eines Vertuschungskartells - von der Presse ganz zu schweigen. Was könnte also gegen diese üblen Nachreden helfen? Argumente eher nicht. Vor einem halben Jahr hätte sich sagen lassen: eigene Erfahrung. 'Die persönliche Begegnung ändert alles' war hier zu lesen. Aber seitdem ist viel passiert. Spätestens die Silvesternacht hat Ängste geweckt, viele scheuen spätestens jetzt vor Kontakt zurück. Über die Flüchtlinge wird viel geredet, so scheint es, mit ihnen sehr viel weniger, viel zu wenig. Und es fragt sich, wie lange die vielen ehrenamtlichen Helfer, die längst auch in die Schusslinien geraten sind, noch durchhalten. Vielleicht wird man sich noch mal  nach Semmeln, die nicht bezahlt wurden, zurücksehnen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen