Morgens beim Friseur. Gesprächsthema Nummer eins: die
Flüchtlinge. „Die Politik hat versagt, die
Politik hat zu spät reagiert, die Politik hat die Bürger nicht informiert…“ – bis mir der Kragen platzt: Wer immer nur die Sportseiten liest, sollte
die Gründe für die eigene Ahnungslosigkeit vielleicht erstmal anderswo suchen, bevor er
‚die Politik’ dafür verantwortlich macht.
Wer ist denn ‚die Politik’?
Es gibt inzwischen etliche Erklärungsversuche, warum so viele Menschen hier helfend
tätig sind: Um als Land gut dazustehen vor der Welt, für das eigene Ego, um
eine gefühlte historische Schuld wiedergutzumachen, aber auch als
Selbstermächtigung, als Versuch, selbst ein politisch handelndes Subjekt zu
werden, weit über das Stimmzettel-Kreuzchen hinaus. Letztlich also
als Bestreben, nicht mehr alles zu delegieren, sondern selbst an Stelle ‚der Politik’ zu treten.
Am Abend lädt die Gemeinde die Helfer und
Flüchtlingsbegleiter zu einem festlichen Essen ein. Gemischte Gefühle auf dem
Weg dorthin: Sollen alle, die sich hier einsetzen oder eingesetzt haben, mit
einer Geste abgespeist werden? Was früher der Wappenteller oder die Pullach-Tasse
war, soll jetzt durch ein warmes Essen ersetzt werden? Dafür hat man es doch
nun wirklich nicht gemacht.
Es kommt alles ganz anders. Viele sind hier versammelt, die
voneinander gar nicht wussten, dass sie sich auf diesem Feld betätigen. Viele
Flüchtlinge sind gekommen, nicht nur die kürzlich transferierten 'Turnhallen-Flüchtlinge',
sondern auch die im Ort untergebrachten Familien, die man sonst kaum zu Gesicht bekommt. Einen glücklichen Abend lang sind die Fernsehbilder vom Balkan in den Hintergrund getreten, für ein
paar Stunden, so kommt es einem vor, lässt sich hier eine Zivil-Gesellschaft
erahnen, die das politische Tun selbst in die Hand genommen hat. Für kurze Zeit
ist eine Selbstvergewisserung spürbar: ‚Die Gemeinde’ ist keine ausgelagerte
Instanz, ähnlich wie ‚die Politik’, nein – genau hier hat sich ‚Gemeinde’ konstituiert, eine Minderheit sicherlich, aber eine, die sich nicht mit
Schuldzuweisungen aufhält und sich durch die ungewissen Erfolgsaussichten nicht von ihrem Engagement abhalten lässt.
Das alles mag sich auch wieder eintrüben, gewiss. Trotzdem: Danke für diese Einladung, die eine ermutigende Erfahrung ermöglichte und Gelegenheit bot, füreinander erkennbar zu werden!
Das alles mag sich auch wieder eintrüben, gewiss. Trotzdem: Danke für diese Einladung, die eine ermutigende Erfahrung ermöglichte und Gelegenheit bot, füreinander erkennbar zu werden!
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