Unterwegs auf mehrtägiger Bergtour. Endlich ist die Hütte
erreicht – doch Schlafplätze gibt es nur noch im Matratzenlager. Romantisch –
wenigstens für eine Nacht. Keiner muss mehr Auto fahren, in der Stube fließt der Alkohol, das
Schnarchkonzert gerät vielstimmig. Bei der Nachtruhe herrscht eher Gleitzeit, mancher sucht im Dunkel den Weg zur Toilette. Die ersten stehen
in aller Frühe auf, und leider versteht man jedes Wort. Da ist viel
Kaffee nötig, um selbst in Gang zu kommen. Bei aller Romantik: Zuhause stehen
Toilette, Dusche und das eigene Bett, bald gibt es wieder ein Privatleben.
Und wenn nicht? Die Turnhalle in Pullach ist nach wie vor
von Flüchtlingen belegt – unter Matratzenlagerbedingungen: 100 junge Männer auf
engem Raum, seit mehr als einem Vierteljahr jetzt. Dass es im Lager weitgehend
friedlich blieb, ist nicht ganz selbstverständlich. Einige dürfen inzwischen
arbeiten und leiden nach einem 8-Stunden-Arbeitstag unter fehlender Nachtruhe. Immerhin haben sie tagsüber etwas zu tun. Andere
haben sich in den Alkohol geflüchtet, manche sehen nach Erhalt des
Abschiebungsbescheids nicht mehr ein, dass sie sich an irgendwelche Regeln halten
sollen, und leider kommt es auch zu Diebstahlsfällen untereinander. Es ist ein
ganz normaler Ausschnitt der Menschheit, der dort versammelt ist, es sind keine besseren und keine schlechteren Menschen als wir. Aber was täten wir unter diesen Bedingungen? 100 Tage Matratzenlager?
Willkommenskultur jedenfalls ist weit über den ersten Tag
hinaus gefragt; zu einem
realistischen Blick gehört auch der beständige Versuch, sich in die Lage seines Gegenübers zu versetzen. Soweit das geht. Denn die wenigsten im Lager können erzählen, was hinter ihnen liegt, auch nach 100 Tagen nicht.
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